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\section[Schwach konstruierbare Garben auf Simplizialkomplexen]
{\texorpdfstring{Schwach konstruierbare Garben\\auf Simplizialkomplexen}
{Schwach konstruierbare Garben auf Simplizialkomplexen}}
\sectionmark{Schwach konstruierbare Garben}
\label{sec:simp-comp-sk}
Die Ordnungstopologie auf einem Simplizialkomplex $\K$ erlaubt es,
sich Simplizialkomplexe von Garben als Garben auf einem Produktraum
mit einem Simplizialkomplex vorzustellen. Nach wie vor ist der
verwendete ordnungstopologische Simplizialkomplex allerdings ein eher
kombinatorisches Objekt. Für unsere zu weiten Teilen auf
Hausdorffräumen beruhende geometrische Vorstellung geben wir daher
eine weitere geometrische Charakterisierung von Garben auf einem
Simplizialkomplex $\K$ an. Wir werden sehen, dass sie sich als
simplizial konstante Garben auf der geometrischen Realisierung von
$\K$ auffassen lassen. Für die zugehörigen derivierten Kategorien kann
diese Aussage noch verbessert werden: Simplizialkomplexe von Mengen
entsprechen dann derivierten Garben, deren Kohomologien simplizial
konstant sind. Die Darstellung folgt im Wesentlichen \cite{KS} und
\cite{WS}. Der relative Fall ist Gegenstand des folgenden
Abschnitts. Hier beschränken wir uns erst einmal auf
Simplizialkomplexe von Mengen.
In diesem Abschnitt bezeichne $\K$ stets einen Simplizialkomplex mit
Eckenmenge $E$. Ist $\K$ ein endlicher Simplizialkomplex (d.~h. $E$
endlich), so definieren wir seine geometrische Realisierung als die
Vereinigung seiner offenen Simplizes. Setze für einen Simplex $\sigma
\in \K$ seine Realisierung $|\sigma| \subset \R^V = \Ens(V, \R)$ zu
\[ |\sigma| = \set{x \in \R^E}{x(e) = 0 \text{ für } e \notin \sigma,
x(e) > 0 \text{ für } e \in \sigma,
\sum_{e \in E} x(e) = 1 },
\]
sowie die geometrische Realisierung $|\K| \subset \R^E$ von $\K$
\[ \bigcup_{\sigma \in \K} |\sigma|, \]
jeweils versehen mit der induzierten Topologie von $\R^E$. Ein
beliebiger Simplizialkomplex $\K$ kann als Vereinigung $\bigcup_i
\K_i$ seiner endlichen Teilsimplizes geschrieben werden und wir
definieren die geometrische Realisierung von $\K$ durch
\[ |\K| = \bigcup_i |\K_i| \]
mit den induzierten Inklusionen und der Kolimes-Topologie.
Wir erhalten eine Abbildung
\[ p: |\K| \to \K, \]
genannt Simplexanzeiger oder Indikatorabbildung, der einem Punkt $x
\in |\K|$ in der geometrischen Realisierung den eindeutigen Simplex
$\sigma \in \K$ mit $x \in |\sigma|$ zuordnet.
\begin{lemma}
Der Simplexanzeiger $p: |\K| \to \K$ ist eine finale Surjektion mit
zu\-sam\-men\-hän\-gen\-den Fasern.
\end{lemma}
\begin{proof}
Die Abbildung lässt sich als die Identifikation der
(zusammenhängenden) offenen Inneren der Standardsimplizes $|\sigma|$
zu einem Punkt $\sigma$ beschreiben. Dies zeigt die Eigenschaft
einer mengentheoretischen Quotientenabbildung.
Für einen endlichen Simplizialkomplex $\K$ ist das Urbild einer
Basismenge $(\geq \sigma)$ der ``offene Stern um $\sigma$''
\[ U(\sigma) := p^{-1}((\geq \sigma))
= |\K| \cap \set{x \in \R^E}{x(e) > 0 \text{ für } e \in \sigma }.
\]
Dies zeigt (auch im Kolimes) die Stetigkeit. Dass $\K$ auch die
Quotiententopologie trägt, ist im Fall eines endlichen
Simplizialkomplexes anschaulich und folgt dann auch für die
Kolimites.
\end{proof}
\begin{lemma}[\cite{TG}, 4.3.22] \label{final-pullback}
Sei $p: X \to Y$ eine finale Surjektion mit zusammenhängenden
Fasern. Dann ist die Einheit der Adjunktion $\Id \Trafo p_* p^*$ auf
allen $G \in \Ens_{/Y}$ ein Isomorphismus.
\end{lemma}
\begin{proof}
Wir zeigen, dass die Einheit der Adjunktion Bijektionen auf allen
Schnitten über $U \open Y$ induziert. Ohne Einschränkung reicht der
Fall der globalen Schnitte $U = Y$, denn die Einschränkung von $p$
auf $p^{-1}(U) \to U$ erfüllt ebenfalls die Voraussetzungen des
Lemmas. Zu zeigen ist also, dass die Einheit der Adjunktion
Bijektionen $\Gamma G \iso \Gamma p_* p^* G = \Gamma p^* G$
induziert. Nach der universellen Eigenschaft des Rückzugs stehen im
Diagramm
\[
\shorthandoff{"}
\begin{tikzcd}
X \arrow[ddr, bend right, "\id"]
\arrow[drr, bend left,"t"] \arrow[dr, "s"] & & \\
& p^* G \rar \dar \arrow[dr, phantom, "\lrcorner"]
& G \dar \\
& X \rar{p}
& Y
\end{tikzcd}
\]
globale Schnitte $s: X \to p^* G$ von $p^* G \to X$ in Bijektion zu
Schnitten $t: X \to G$ von $G \to Y$ über $p$. Eine solche Abbildung
$t$ faktorisiert nun nach der Surjektivität von $p$ zunächst
mengentheoretisch über $p$. Diese Faktorisierung ist eindeutig, denn
$t$ ist konstant auf den Fasern $p^{-1}(y)$ von $y \in Y$ als
stetige Abbildung von einem zusammenhängenden Raum in den diskreten
Raum $G_y$. Die Stetigkeit dieser mengentheoretischen Abbildung
folgt nun aus der Finalität von $p$.
Die umgekehrte Zuordnung schaltet einem globalen Schnitt von $G \to
Y$ über $\id_Y$ einen Schnitt über $p$ durch Vorschalten von $p$ zu.
\end{proof}
\begin{bem} \label{connected-fibers-subst}
Die Voraussetzung zusammenhängender Fasern kann fallen gelassen
werden, wenn stattdessen in $p^* G$ nur diejenigen Garbenschnitte
als Schnitte zugelassen werden, welche gewisse zu den Daten von $p^*
G$ gehörige Verträglichkeiten erfüllen müssen, die die Abbildung
$p^{-1}(y) \to G_y$ wieder konstant machen. Dies werden wir in
\ref{sheaf-col} benötigen und dort auch präzisieren.
\end{bem}
\begin{kor} \label{unit-iso}
Für $p: |\K| \to \K$ und eine Garbe $F \in \Ens_{/\K}$ ist die
Einheit der Adjunktion ein Isomorphismus
\[ F \iso p_* p^* F . \]
\end{kor}
Anders ausgedrückt können wegen
\[ \Ens_{/\K}(F, G) \iso \Ens_{/\K}(F, p_* p^* G)
\iso \Ens_{/|\K|}(p^* F, p^* G)
\]
die Garben auf $\K$ als äquivalent zu einer vollen Unterkategorie der
Garben auf $|\K|$ aufgefasst werden. Wie können diese Garben im
wesentlichen Bild des Rückzugs $p^*$ charakterisiert werden?
\begin{defn}
Eine Garbe $F \in \AbKr$ heißt \emph{schwach $\K$-konstruierbar}
(oder kurz: schwach konstruierbar), falls für alle $\sigma \in \K$,
die Einschränkungen $F|_{|\sigma|}$ konstante Garben sind. Wir
bezeichnen die volle Unterkategorie der schwach konstruierbaren
Garben in $\AbKr$ mit $\AbKrsk$.
Eine derivierte Garbe $F \in \DerAbK$ heißt \emph{schwach
$\K$-konstruierbar}, falls für alle $j \in \Z$ die
Kohomologiegarben $H^j(F)$ schwach konstruierbar sind. Wir
bezeichnen die volle Unterkategorie der schwach konstruierbaren
derivierten Garben in $\DerAbK$ mit $\DerskK$.
\end{defn}
Wir bemerken zunächst:
\begin{lemma}[\cite{KS}, 8.1.3] \label{skons-abelian}
Die Kategorie $\AbKrsk$ ist abelsch.
\end{lemma}
\begin{proof}
Zunächst ist die Kategorie der konstanten abelschen Garben auf einem
topologischen Raum $X$ eine abelsche Kategorie. Die Aussage folgt
dann aus der Exaktheit und Additivität des Pullbacks $i_{\sigma}^*$
längs den Inklusionen
\[ i_{\sigma}: |\sigma| \xhookrightarrow{} |\K| . \]
\end{proof}
Das wesentliche Bild des Rückzugs $p^*$ kann nun als die Kategorie der
schwach $\K$-konstruierbaren Garben auf $|\K|$ charakterisiert
werden. Dies ist der wesentliche topologische Schritt in unserer
Argumentation.
\begin{prop}[\cite{WS}, 8.4.6.3] \label{sk-char}
Für $F \in \AbKr$ sind äquivalent:
\begin{enumerate}[label=(\arabic*)]
\item \label{itm:sk-char-sk} $F$ ist schwach $\K$-konstruierbar
\item \label{itm:sk-char-counit} Die Koeinheit der Adjunktion ist
auf $F$ ein Isomorphismus $p^*p_*F \iso F$.
\item \label{itm:sk-char-essim} $F$ liegt im wesentlichen Bild des
Rückzugs $p^*$.
\item \label{itm:sk-char-res} Die Restriktion $F(U(\sigma)) \to F_x$
ist für alle $\sigma \in \K$ und alle $x \in |\sigma|$ ein
Isomorphismus.
\end{enumerate}
\end{prop}
\begin{proof}
Die Äquivalenz $\ref{itm:sk-char-counit} \Iff
\ref{itm:sk-char-essim}$ ist allgemein kategorientheoretischer
Natur. Dabei ist $\ref{itm:sk-char-counit} \Implies
\ref{itm:sk-char-essim}$ offensichtlich (nimm $p_* F$) und
$\ref{itm:sk-char-essim} \Implies \ref{itm:sk-char-counit}$ folgt
aus den Dreiecksidentitäten und \ref{unit-iso}.
Die Äquivalenz $\ref{itm:sk-char-counit} \Iff \ref{itm:sk-char-res}$
folgt aus der Bestimmung der Halme von $p^*p_* F$. Zunächst bemerken
wir, dass in $\K$ die Menge $(\geq \sigma)$ die kleinste offene
Umgebung von $\sigma$ ist, und wir also $p_*F((\geq \sigma)) \iso
(p_*F)_{\sigma}$ erhalten. Somit gilt für $x \in |\sigma|$:
\begin{equation}\label{eq:counit-sect}
(p^*p_*F)_x \iso (p_*F)_{\sigma} \iso p_*F((\geq \sigma)) \iso F(U(\sigma)).
\end{equation}
Dabei wurde die Beschreibung der Halme des Rückzugs (mit $p(x) =
\sigma$), obige Darstellung der Halme auf $\K$ und die Definition
des Vorschubs verwendet.
Die Implikation $\ref{itm:sk-char-res} \Implies
\ref{itm:sk-char-sk}$ folgt direkt aus dem nachgestellten Lemma,
angewandt auf die Einschränkung von $F$ auf $U(\sigma)$, und der
Tatsache, dass beliebige Einschränkungen konstanter Garben wieder
konstant sind.
Für die umgekehrte Richtung reicht es, die Aussage für die
Einschränkung von $F$ auf $U(\sigma)$ zu zeigen. Wir betrachten für
$x \in |\sigma|$ die Zusammenziehung
\begin{align*}
h: (0, 1] \times U(\sigma) &\to U(\sigma), \\
(t, y) &\mapsto h(t, y) = t y + (1 - t) x,
\end{align*}
formal zunächst auf endlichen Teilkomplexen und dann die induzierte
Abbildung auf dem Kolimes $|\K|$.
Die Mengen $h(\{t\} \times U(\sigma))$ bilden für $t \in (0, 1]$
eine Umgebungsbasis von $x$, wir müssen also nur noch den Kolimes
der Schnitte über diese Mengen bestimmen. Bezeichne $\pi: (0, 1]
\times U(\sigma) \to U(\sigma)$ die Projektion auf den zweiten
Faktor. Nach der simplizialen Konstanz von $F$ und wegen
\[ h(t, y) \in |\tau| \Iff y \in |\tau| \]
ist der Rückzug $h^* F$ konstant auf den Fasern von $\pi$ und lässt
sich somit nach dem zweiten nachgestellten Lemma schreiben als
$\pi^* \pi_* h^* F \iso h^* F$. Bezeichne $\iota_t: U(\sigma)
\xhookrightarrow{} (0, 1] \times U(\sigma)$ die Inklusion in der
ersten Komponente. Dann erhalten wir wie gewünscht mit der
Funktorialität des Rückzugs und $\pi \circ \iota_t =
\id_{U(\sigma)}$
\begin{align*}
F_x &\iso \colf\limits_{t \in (0, 1]} F(h(\{t\} \times U(\sigma))) \\
&\iso \colf\limits_{t \in (0, 1]} \Gamma \, \iota_t^* \, h^* \, F \\
&\iso \colf\limits_{t \in (0, 1]}
\Gamma \, \iota_t^* \, \pi^* \, \pi_* \, h^* \, F \\
&\iso \colf\limits_{t \in (0, 1]}
\Gamma \, \iota_1^* \, \pi^* \, \pi_* \, h^* \, F \\
&\iso \Gamma \, \iota_1^* \, h^* \, F \\
&\iso F(U(\sigma)).
\end{align*}
\end{proof}
\begin{bem} \label{beta-sect}
Aus Gleichung \ref{eq:counit-sect} und \ref{itm:sk-char-res} folgt
insbesondere auch
\[(p^* p_* F)(U(\sigma)) \iso F(U(\sigma)) \]
für alle $F \in \AbKr$ und alle $\sigma \in \K$.
\end{bem}
Wir tragen die benötigten Lemmata nach.
\begin{lemma}[\cite{TG}, 2.1.41 (Var.)] \label{const-stalk}
Sei $X$ ein topologischer Raum und $F$ eine Garbe auf $X$, für die
die Restriktion $\Gamma F \iso F_x$ für alle $x \in X$ bijektiv
ist. Dann ist $F$ eine konstante Garbe auf $X$ mit Halm $\Gamma F$.
\end{lemma}
\begin{proof}
Bezeichne $c: X \to \mathrm{top}$ die konstante Abbildung. Die
Koeinheit der Adjunktion $c^* c_* F \to F$ induziert auf den Halmen
gerade die vorausgesetzten Bijektionen, ist also ein
Garben-Isomorphismus.
\end{proof}
\begin{lemma}[\cite{TG}, 6.4.17] \label{constant-on-fibers}
Sei $X$ ein topologischer Raum, $I \subset \R$ ein nichtleeres
Intervall, $F \in \Ens_{/X \times I}$ eine Garbe und $\pi: X \times
I \to X$ die Projektion auf den ersten Faktor. Ist $F$ konstant auf
den Fasern von $\pi$, so ist die Koeinheit der Adjunktion auf $F$
ein Isomorphismus $\pi^* \pi_* F \iso F$.
\end{lemma}
\begin{proof}
Die Aussage ist äquivalent zum folgenden Fortsetzungsresultat:
\begin{quote}
Für alle $U \open X$ und $t \in I$ ist die Restriktion ein
Isomorphismus
\[ \Gamma(U \times I, F) \iso \Gamma(U \times \{t\}, F). \]
\end{quote}
Denn ist die Koeinheit der Adjunktion ein Isomorphismus $\pi^* \pi_*
F \iso F$, so bestimmen wir die Schnitte über $U \times \{t\}$ wie
folgt: Sei $\iota: U \times \{t\} \inj X \times I$ die Inklusion. Wir
bemerken, dass $\pi \circ \iota$ die Inklusion von $U$ nach $X$ ist
und erhalten:
\[ \Gamma(U \times \{t\}, F)
= \Gamma \iota^* F
\iso \Gamma \iota^* \pi^* \pi_* F
= \Gamma(U, \pi_* F)
= \Gamma(U \times I, F). \]
Andersherum folgt der Isomorphismus der Koeinheit der Adjunktion
aber auch aus dem Fortsetzungsresultat, denn wir können sofort den
Isomorphismus auf den Halmen über $(x, t) \in X \times I$ zeigen:
\begin{align*}
(\pi^* \pi_* F)_{(x,t)}
&\iso (\pi_* F)_x \\
&= \colf\limits_{U \ni x} \Gamma(U \times I, F) \\
&\iso \colf\limits_{U \ni x} \Gamma(U \times \{t\}, F) \\
&\iso \colf\limits_{V \ni (x, t)} F(V) \\
&= F_{(x, t)}.
\end{align*}
Dabei erhalten wir die Surjektivität von $F(V) \to \Gamma(U \times
\{t\}, F)$ aus der Bijektivität der Verknüpfung
\[ \Gamma(U \times I, F) \to F(V) \to \Gamma(U \times \{t\}, F) \]
und die Injektivität aus der Eigenschaft, dass bereits die faserweise
stetige Fortsetzung eindeutig ist nach der Konstantheit der
Einschränkungen von $F$ auf die Fasern von $\pi$.
Nun können wir die Aussage zeigen. Betrachte zunächst für $I$
kompakt das kartesische Diagramm mit eigentlichen und separierten
Vertikalen \shorthandoff{"}
\[ \begin{tikzcd}
\{x\} \times I \rar[hook] \dar \arrow[dr, phantom, "\lrcorner"]
& X \times I \dar["\pi"] \\
\{x\} \rar[hook]
& X.
\end{tikzcd} \]
Nach eigentlichem Basiswechsel (\cite{TG}, 6.4.14) ist der
natürliche Morphismus
\[ (\pi_* F)_x \iso \Gamma F|_{\{x\} \times I} \]
ein Isomorphismus. Nach Voraussetzung ist $F|_{\{x\} \times I}$
konstant, also induziert die Einschränkung für jedes $t \in I$
Bijektionen
\[ F|_{\{x\} \times I} \iso F_{(x, t)}. \]
Die Komposition sind gerade die Halme der Koeinheit
\[ (\pi^* \pi_* F)_{(x, t)} \iso (\pi_* F)_x
\iso \Gamma F|_{\{x\} \times I} \iso F_{(x, t)}.
\]
Ist nun $I \subset \R$ ein beliebiges Intervall, so können wir es
als aufsteigende Vereinigung von Kompakta $I = \bigcup_j I_j$
schreiben und erhalten durch das Verkleben von Schnitten ebenfalls
\[ \Gamma(U \times I, F)
\iso \colf_j \Gamma(U \times I_j, F)
\iso \Gamma(U \times \{t\}, F).
\]
\end{proof}
Wir bezeichnen den Funktor $p^*p_*: \AbKr \to \AbKrsk$ kurz mit
$\beta$. Es handelt sich in der später eingeführten Terminologie um
einen Koreflektor (vgl. \ref{corefl}).
\begin{prop} \label{beta-adjoint}
Der Funktor $\beta: \AbKr \to \AbKrsk$ ist ein Rechtsadjungierter
zur Inklusion $\iota: \AbKrsk \to \AbKr$.
\end{prop}
\begin{proof}
Für $S \in \AbKrsk$ und $F \in \AbKr$ gilt:
\begin{align*}
& \AbKrsk(S, \beta F) \\
\iso & \AbKrsk(\beta S, \beta F) \\
\iso & \AbKr(p_* S, p_* p^* p_* F) \\
\iso & \AbKr(p_* S, p_* F) \\
\iso & \AbKr(\beta S, F) \\
\iso & \AbKr(S, F).
\end{align*}
Dabei wurden die Adjunktion $(p^*, p_*)$ und im dritten Schritt
\ref{unit-iso} benutzt.
\end{proof}
Als Komposition zweier linksexakter Funktoren ist $\beta$ wieder
linksexakt. Der allgemeinen Terminologie folgend bezeichnen wir eine
Garbe $F \in \AbKr$ als $\beta$-azyklisch, falls ihre höheren
Derivierten von $\beta$ verschwinden, also falls
\[ R^k\beta F = 0 \qquad \text{für alle } k > 0. \]
Die folgende Charakterisierung $\beta$-azyklischer Garben ist für die
Formulierung der Hauptaussage des Abschnitts ohne Rückgriff auf
homotopieinjektive Auflösungen relevant
(\ref{dersk-eq-bounded-dim}). In \ref{dersk-eq} wird sie nicht
benötigt werden.
\begin{prop}[\cite{KS}, 8.1.8] \label{sk-is-acyc}
Sei $F \in \AbKr$. Dann gilt:
\begin{enumerate}[label=(\roman*)]
\item \label{itm:sk-is-acyc-comp} $\Gamma(U(\sigma), R^k\beta F)
\iso H^k(U(\sigma); F)$ für alle $\sigma \in \K, k \geq 0$.
\item \label{itm:sk-is-acyc-beta} $F$ ist $\beta$"=azyklisch genau dann,
wenn
\[ H^k(U(\sigma); F) = 0 \qquad \text{für alle } \sigma \in \K, k > 0 . \]
\end{enumerate}
Insbesondere sind schwach $\K$-konstruierbare Garben und welke
Garben $\beta$-azyklisch.
\end{prop}
\begin{bem}
Man beachte, dass Aussage \ref{itm:sk-is-acyc-comp} ein Zusatz zur
allgemeinen Charakterisierung höherer direkter Bilder als
Garbifizierungen der Prägarben der Kohomologien der Urbilder
(\cite{TG}, 6.6.2) ist für den Fall, dass die Schnittfunktoren
$\Gamma(p^{-1}(U), \cdot)$ exakt sind.
\end{bem}
\begin{proof}
\ref{itm:sk-is-acyc-beta} folgt direkt aus \ref{itm:sk-is-acyc-comp}
mit $R^k\beta F \in \AbKrsk$ (nach \ref{skons-abelian}) und unserer
Aussage über die Halme \ref{sk-char} \ref{itm:sk-char-res}.
Mit der Exaktheit von Halmfunktoren $F \mapsto F_x$ und
\ref{sk-char} \ref{itm:sk-char-res} sind die Funktoren
$\Gamma(U(\sigma), \cdot)$ auf schwach $\K$-konstruierbaren Garben
exakt und vertauschen folglich bei einem Komplex mit der Bildung der
Kohomologie. Wir erhalten für $F \inj I\cc$ eine injektive Auflösung
somit
\begin{align*}
\Gamma(U(\sigma), R^k\beta F)
&= \Gamma(U(\sigma), H^k(\beta I\cc)) \\
&\iso H^k(\Gamma(U(\sigma), \beta I\cc)) \\
&\iso H^k(\Gamma(U(\sigma), I\cc)) \\
&= H^k(U(\sigma); F),
\end{align*}
wobei wir im dritten Schritt \ref{beta-sect} verwendet haben.
\end{proof}
Damit können wir uns nun den derivierten Kategorien zuwenden.
\begin{satz} \label{beta-qi}
Sei $F \in \Ket(\AbKr)$ ein Kettenkomplex aus $\beta$-azyklischen
Garben mit schwach $\K$-konstruierbaren Kohomologiegarben
$H^q(F)$. Dann ist $\beta F \to F$ ein Quasi-Isomorphismus.
\end{satz}
\begin{proof}
Wir müssen zeigen, dass $\beta F \to F$ Isomorphismen $H^q(\beta F)
\iso H^q(F)$ auf den Kohomologien induziert. Da aber alle
beteiligten Garben $\beta$-azyklisch sind und die
$\beta$-azyklischen Garben eine abelsche Unterkategorie bilden, auf
der $\beta$ exakt ist, vertauscht $\beta$ mit dem Bilden der
Kohomologie und es folgt
\[ H^q(\beta F) \iso \beta (H^q F) \iso H^q F \]
wegen der schwachen Konstruierbarkeit der Kohomologiegarben $H^q F$.
\end{proof}
Damit ist der entscheidende Schritt für unser Ziel gezeigt. Wir
erhalten:
\begin{theorem} \label{dersk-eq}
Sei $\K$ ein Simplizialkomplex. Dann definieren der Rechtsderivierte
von $\beta$ und die Inklusion auf den derivierten Kategorien eine
Äquivalenz
\[ \Der(\AbKrsk)
\mathrel{\mathop{\rightleftarrows}^{\iota}_{R \beta}}
\DerskK. \]
\end{theorem}
\begin{proof}
Beide Funktoren sind auf den gesamten derivierten Kategorien
definiert, $\iota$ als exakter Funktor und $R\beta$ nach dem Satz
über die Existenz homotopieinjektiver Auflösungen (\cite{TD}, 3.6.10
und 3.4.2). Die Adjunktion $(\iota, \beta)$ bleibt eine Adjunktion
nach Übergang zu den derivierten Kategorien (\cite{TD}, 3.2.25):
\[ \Der(\AbKrsk)
\mathrel{\mathop{\rightleftarrows}^{\iota}_{R \beta}}
\Der(\AbKr).
\]
Tatsächlich hat $\iota$ Bild in $\DerskK$ und wir erhalten die
Adjunktion aus der Formulierung des Theorems. Sei nun $F \in
\Ket(\AbKrsk)$ und $F \qiso I$ eine homotopieinjektive Auflösung von
$F$ durch injektive Garben. Diese ist entfaltet für $\beta$. Mit dem
vorangegangenen Satz \ref{beta-qi} und der $\beta$-Azyklizität
injektiver Garben erhalten wir für $F \in \DerskK$:
\[R \beta F \iso \beta I \iso I \iso F. \]
Diese Aussage beinhaltet die Isotransformationen
\[ \Id \Isotrafo R \beta \circ \iota
\qquad \text{und} \qquad
\iota \circ R \beta \Isotrafo \Id .
\]
\end{proof}
\begin{bem}
Kashiwara und Schapira beschränken sich auf die Äquivalenz der
beschränkten derivierten Kategorien, allerdings mit der gleichen
Argumentation. In \cite{KS} 1.7.12 wird eine allgemeine Aussage für
solche Situationen gezeigt, die hier aber nicht benötigt wird.
\end{bem}
\begin{bem} \label{dersk-eq-bounded-dim}
Ist $\K$ lokal-endlich und von beschränkter Dimension, so erhalten
wir dasselbe Ergebnis mit deutlich weniger Technik, nämlich ohne
Rückgriff auf homotopieinjektive Auflösungen. In der Tat können wir
nach dem Satz über das unbeschränkte Derivieren homologisch
endlicher Funktoren (\cite{TG}, 3.7.4) mit beliebigen Auflösungen
aus $\beta$-azyklischen Objekten arbeiten und dann mit
\ref{sk-is-acyc} \ref{itm:sk-is-acyc-beta} eine beliebige welke
Auflösung wählen.
Wir müssen also zeigen, dass $\beta$ homologisch rechtsendlich ist
und sich jede Garbe $F \in \AbKr$ in eine $\beta$-azyklische
einbetten lässt. Letzteres folgt wieder aus \ref{sk-is-acyc}
\ref{itm:sk-is-acyc-beta}, ersteres zeigen wir im folgenden Lemma.
\end{bem}
\begin{lemma}
Ist $\K$ ein lokal-endlicher Simplizialkomplex beschränkter
Dimension, so ist $\beta: \AbKr \to \AbKr$ ein homologisch
rechtsendlicher Funktor.
\end{lemma}
\begin{proof}
Sei $F \in \AbKr$. Dann ist $R^k \beta F$ schwach
$\K$-konstruierbar und wir bestimmen für $x \in |\sigma|$ die
Halme mittels
\[ (R^k \beta F)_x \iso (R^k \beta F)(U(\sigma)) \iso H^k(U(\sigma); F) \]
unter Verwendung von \ref{sk-char} \ref{itm:sk-char-res} und
\ref{sk-is-acyc} \ref{itm:sk-is-acyc-comp}. Das führt die Aussage
auf die beschränkte homologische Dimension von
$n$-Mannigfaltigkeiten im folgenden Lemma zurück, denn für $\K$
lokal-endlich von beschränkter Dimension ist $U(\sigma)$ eine offene
Teilmenge eines endlichdimensionalen reellen Vektorraums $\R^n$.
\end{proof}
\begin{prop}
Für $U \open \R^n$ und $F \in \Ab_{/U}$ gilt $H^q(U; F) = 0$ für
alle $q > n$.
\end{prop}
\begin{proof}
Die Aussage folgt wie die bekannte Aussage für die kompakte
Kohomologie $H^q_!(U; F)$ aus der Existenz von $n$-Schritt
Auflösungen durch kompaktweiche Garben (\cite{KS}, 3.2.2). Wir
müssen zeigen, dass diese auch $\Gamma$-azyklisch sind. Mit dem
Azyklizitätskriterium \cite{TG}, 4.1.6, und der Aussage für
$\Gamma_!$ bleibt nur noch zu zeigen, dass eine kurze exakte Sequenz
von Garben $F' \inj F \surj F''$ mit kompaktweichem $F'$ exakt
bleibt nach Anwenden von $\Gamma$. Dies folgt allerdings sofort aus
der $\sigma$-Kompaktheit von $U \open \R^n$ und der Aussage für
$\Gamma_!$ aufgrund der Exaktheit filtrierender Kolimites und der
Darstellung $\Gamma = \colf_i \Gamma(K_i, \cdot)$ für $U = \bigcup_i
K_i$ eine kompakte Ausschöpfung von $U$.
\end{proof}
\begin{bem} \label{sk-homalg}
Man beachte, dass der Beweis ab \ref{beta-adjoint} ausschließlich
auf homologischer Algebra beruht, die konkreten topologischen
Eigenschaften der Situation fließen im Wesentlichen in \ref{sk-char}
ein. Dies wird sich in \autoref{sec:real-directed-cat} als nützlich
erweisen, um die Aussage für simpliziale Mengen zu formulieren.
\end{bem}
Wir halten den allgemeinen Teil des Arguments fest:
\begin{satz} \label{gen-sk}
Seien $C$ und $D$ abelsche Kategorien mit einem Paar adjungierter
Funktoren $(p^*, p_*)$
\[ C \mathrel{\mathop{\rightleftarrows}^{p^*}_{p_*}} D, \]
für das die Einheit der Adjunktion $\Id \Isotrafo p_* p^*$ auf allen
Objekten ein Isomorphismus ist. Bezeichne Objekte $d \in D$, auf
denen die Koeinheit $p^* p_* \Trafo \Id$ ein Isomorphismus ist, als
\emph{schwach konstruierbar}. Dann ist die volle Unterkategorie der
schwach konstruierbaren Objekte $D^{\sk}$ von $D$ koreflektiv mit
dem Koreflektor $\beta = p^* p_*$. Gibt es in $\Der(D)$ für
beliebige unbeschränkte Kettenkomplexe Entfaltungen durch
$\beta$-azyklische Objekte, so gibt es eine Äquivalenz von
Kategorien
\[ \Der(D^{\sk})
\mathrel{\mathop{\rightleftarrows}^{\iota}_{R \beta}}
\Der^{\sk}(D),
\]
wobei $\Der^{\sk}(D)$ die volle Unterkategorie der derivierten
Kategorie von $D$ mit schwach konstruierbarer Kohomologie
bezeichnet.
\end{satz}